Mittwoch, 28. Oktober 2009

Ausreise! - Montevideo und Colonia


Dank der Uneinigkeit der argentinischen Behörden angesichts der Visumserteilung haben wir argentinischen Freiwilligen noch kein Jahresvisum erhalten und mussten deshalb letztes Wochenende das Land verlassen - unser Touristenvisum, was 3 Monate gilt, war abgelaufen. Qué lastima! ;) Wir 4 Varela-Mädels Anna, Lisa, Laura und ich haben uns also auf den Weg nach Colonia de Sacramento gemacht, was mit der schnellen Fähre nur eine Stunde vom Puerto Madero in Buenos Aires entfernt ist.
Auf dem Rio de la Plata näherten wir uns dem grünen Colonia, was uns einladend empfing - das schmeckte schon ein bisschen nach Urlaub! Strahlender Sonnenschein, glitzerndes Wasser (wenn man davon absah, dass es grau-braun statt blau war) und das zweite südamerikanische Land, was ich kennenlernte - Urugay. Schon der Name klingt so exotisch, nach Urwald sagte mir jemand ;)
Urwald war es nun nicht gerade aber im Vergleich zur Betonwüste Buenos Aires auf jeden Fall sehr grün! Wir fuhren trotzdem direkt mit dem Bus weiter nach Montevideo, weil wir glaubten, die Hauptstadt Urugays habe noch mehr zu bieten und wir uns Colonia für einen entspannten Sonntag aufhoben.
Die Fahrt nach Montevideo im Reisebus dauerte 2 Stunden, die ich fast komplett verschlief.
Angekommen, checkten wir in einem tollen Hostel ein,
total zentral an der Plaza de Independencia gelegen. Montevideo gefiel mir schon auf den ersten Blick total gut. Ähnlich wie Buenos Aires, aber überschaubarer und sauberer. Abends gingen wir schön essen. An dieser Stelle muss ich einmal den lonely planet Argentinien loben, der uns dieses Wochenende mit wirklich guten Tipps beschenkt hat. Allen Reisenden sehr ans Herz zu legen!
Für den nächsten Tag war Feria und Rambla-Spaziergang geplant. Dabei hat Montevideo unsere Herzen dann komplett erobert. Wir sind auf der Rambla neben dem Strand vorbei an Palmen vom Süden der Stadt bis in den Stadtkern gelaufen und waren total verzaubert. Es gibt wirklich schöne Sandstrände, tolle Parks mit Palmen und kleinen Seen, auf denen man Treetboot fahren kann, schöne, alte Gebäude und leckeres Gebäck an jeder Ecke.
Nach einer kurzen Verschnaufpause im Hostel und einem Plausch mit unseren internationalen Zimmernachbarn (wir waren in einem 8-er Zimmer mit einem jungen Mann aus Israel, einem Amerikaner aus Kalifornien und einem merkwürdigen Opa aus Keine-Ahnung-Wo), wollten wir uns dann die Altstadt angucken.
Hätten wir das bloß nicht gemacht!
Es war mittlerweile doch schon kurz vor 8 und begann zu dämmern. Colonias "ciudad vieja" lag dunkel und verlassen vor uns, was uns nach kurzer Zeit schon komisch vorkam. Auf dem Weg zum Hafen kamen dann 2 Jugendliche und sprachen zuerst Laura und Martin, die hinter Anna und mir liefen, an. Von da an war klar: Die wollen Stress machen und wir sollten uns so schnell wie möglich flüchten. Leider leichter gesagt als getan. Die Straßen waren duster und der größere Platz mit mehr Menschen doch schon einige Blocks entfernt. Es war ein wenig wie eine Verfolgungsjagd. Wir versuchten, zügig zu laufen ohne zu rennen und geistesgegenwärtig steckte ich meine Kamera vorsichtshalber in meine Hosentasche. 5 Minuten später passierte es dann: Wir bogen in eine Seitenstraße ab, die beiden Jungs kamen von hinten angerannt und rissen wir meine Tasche vom Tragegurt (existiert dieses Wort?) ab. Es ging so schnell und war so ein Schock, dass ich gar nichts gemacht habe, außer, dass mir sofort die Tränen gekommen sind, weil ich so viel in dieser Tasche hatte....Mein Portmonnaie mit Bargeld und Geldkarten und meiner Tote-Hosen-Konzertkarte, mein Handy, meinen Schlüssel, mein Wörterbuch, Annas lonely planet, Ronjas Geburtstagsgeschenk...und es war noch nicht ganz vorbei. Wir mussten zügig ins Hostel zurück, bevor noch etwas passierte. Anna hielt mich nun am Nacken gepackt und redete beruhigend auf mich ein, bis wir endlich ins Hostel kamen und ich meinen Verlust angemessen beweinen konnte. Wer mich kennt, weiß ja, dass ich relativ nah am Wasser gebaut bin...außerdem war diese Situation wirklich so unschön und erschreckend!
Das leidige Thema der Karten-Sperre lag vor mir, was nur so semigut funktionierte, da ich am nächsten Tag erfuhr, dass trotz der Zusage des Mannes am Telefon meine Karte am nächsten Tag immer noch nicht gesperrt war.
Nun ja, ich bin froh, dass uns nichts passiert sind und aller materieller Schaden ist schließlich zu ersetzen. Ein Überfall in 3 Monaten ist normal, würde ich sagen. Andere Freiwillige haben in dieser Zeit schon 3 erlebt.
Apropos 3: So viele Monate bin ich jetzt schon hier, ein Viertel des Jahres ist schon um und mein erster Rundbrief steht an. Daran werde ich mich heute Abend setzen. All diejenigen, die meinen blog verfolgen, werden wahrscheinlich schon das Meiste wissen, aber so ein Brief ist ja trotzdem eine schöne Sache. Bald kommt also für einige von euch Post aus Argentinien!
Ich muss sagen, dass die 3 Monate schnell vergangen sind und ich jetzt auch wirklich das Gefühl habe, angekommen zu sein, mein Leben hier gefunden zu haben und mich auf die weiteren 9 Monate freue! Und besonders auf den Besuch, den ich noch kriegen werde!

Bei allen Überfall-und Zeitgeschichten darf ich aber nicht Colonia vergessen, das wir dann Sonntag erkundet haben. Einfach hübsch, anders kann ich es nicht nennen. Eine hübsche, kleine, süße Stadt, in der wir den Leuchtturm erklommen haben und so einen tollen Blick auf den Rio und die malerische Altstadt (übrigens Weltkulturerbe!) werfen konnten, abends den Sonnenuntergang am Strand bestaunt haben und in einer heimeligen Pension die letzte Nacht unseres Kurztrips verbracht haben.
Es war wirklich ein gelungenes Wochenende, auch der Vorfall mit dem Überfall konnte es nicht ganz trüben. Und Montevideo bleibt mir trotzdem in guter Erinnerung, das nächste Mal schaue ich mir die Altstadt bei Tag an! :)

Dienstag, 13. Oktober 2009

Tucumán - Encuentro de Mujeres


Der heiße Norden Argentiniens, 20 000 Frauen, 3 Tage - das war das 24. Encuentro de Mujeres in San Miguel de Tucumán. Mittendrin 3 kleine Deutsche - Laura, Lisa und ich.
3 spannende, heiße Tage, in denen wir Zeugen des Unabhängigkeitskampfes der argentinischen Frauen wurden, eine neue Landschaft kennenlernten und einen Miniurlaub genossen - so wie es bei dem Stress eben ging.
Unser Kurztrip startete am Freitagmorgen um halb 12. Mit einem großen Reisebus fuhren wir drei Voluntarias mit 8 Frauen aus unseren Projekten und weiteren Frauengruppen aus der Umgebung los in Richtung Norden. Die 20-stündige Fahrt verlief entspannt ohne Komplikationen, bis auf die Tatsache, dass der argentinische Busfahrer es für angebracht hielt, um halb 2 Uhr nachts den Spielfilm zu starten. Sehr zu unserem Ärger. Schlafen ging dann eher so semigut.
Morgens um halb 10 kamen wir dann an, etwas übermüdet, aber frohen Mutes. San Miguel de Tucumán lockte mit strahlendem Sonnenschein, Palmen und schönen Bauwerken wie dem Congreso und der Casa de Tucumán.
Die Tage verbrachten wir dann entweder in einem der zahlreichen Workshops mit Themen wie Abtreibung (die ist in Argentinien nämlich noch verboten), Gewalt, Homosexualität, Gesundheit, Familie, Kunst und Kultur, Kommunikationsmedien etc., oder im Café um uns mit frischgespresstem Orangensaft zu erfrischen ( der Orangensaft ist hier immer frisch gepresst um kostet umgerechnet nur etwas mehr als 1 Euro), oder auf einem nahegelegenen Berg, um die Aussicht und die Natur zu genießen. War eine willkommene Ablenkung zur Betonwüste Buenos Aires.
Das Thema Abtreibung ist hier äußerst brisant und für mich sehr interessant zu sehen, wie die Frauen hier für Rechte kämpfen, die die deutschen Frauen in den 60er- Jahren mit Alice Schwarzer oder in Frankreich mit Simone de Beauvoir schon längst durchgesetzt haben. Überall liefen Frauen in T-Shirts mit der Aufschrift "Yo aborté" (Ich habe abgetrieben) herum. Erinnerte mich total an die 60-er Jahre-Bewegung in Deutschland. Obwohl ich da ja noch gar nicht geboren war. Da Abtreibung nicht legal durchgeführt wird, sterben jedes Jahr Tausende von Frauen durch illegale verpfuschte Abtreibungen. Der Konservatismus Argentiniens ist hier deutlich zu spüren, wie auch die Tatsache, dass Argentinien "noch nicht so weit" ist wie beispielsweise Deutschland. Auch was Themen wie das Internet betrifft. Große Teile der Bevölkerung sind noch längst nicht "internetfit" und somit von der Modernisierung ausgeschlossen. Auch darüber wurde in den Workshops gesprochen.
Wir haben in einer Schule übernachtet, 10 Frauen in einem Klassenzimmer. Durch die harte Isomatte und Enge im Raum waren die Nächte kein großes Vergnügen. Außerdem gab es nur eine einzige Dusche in der Schule, die darüber hinaus nur kaltes Wasser abgab. Ein Abenteuertrip! Nach dem ganzen Tag in der Hitze und im Straub und Dreck war man aber einfach nur froh, irgendwie mit Wasser in Berührung zu kommen.
Abends sind wir mit den Frauen aus unseren Projekten in ein "Tenedor libre"-Restaurant ("Freie Gabel" - All you can eat) gegangen und haben dort nach argentinischem Brauch Asado und mehr gegessen...wovon auch schon einige Fotos zeugen. Das argentinische Essen ist einfach immer süß oder fettig oder beides. Verhängnisvoll.
Ein Marsch der Frauen in die Stadt zum Zeichen des Protests, der Unabhängigkeit und der Stärke war der krönende Abschluss des 24. Frauentreffens in Tucumàn.
Inhaltlich konnten wir zwar nicht viel aufnehmen, aber die Athmosphäre und die Energie, die diese Tage hergaben, waren beeindruckend und haben nachdenklich gestimmt. Es gibt noch viele Dinge, für die die Frauen hier kämpfen müssen. Mit der Power, die sie in Tucumán gezeigt haben, werden sie ihre Ziele sicher nach und nach erreichen!

Montag, 5. Oktober 2009

Pilgern?! - die 2.!

Madre,
tu mirada
renueva nuestra esperanza


Huhu, ein Lebenszeichen. Ich hab's also überlebt. Unbeschädigt, sogar der Muskelkater lässt noch auf sich warten...
Gleich vorweg, ich habe leider nicht die 54 Kilometer durchgehalten, sondern mir nach 35 Kilometern den Rest geschenkt und mich den Helfern angeschlossen.
Leider hatte ich meine Kamera vergessen, was sehr schade ist, das wären sicher tolle Fotos geworden.
Ich versuche, es euch zu beschreiben: Pralle Sonne, eine breite Straße, tausend Menschen, von jung bis alt, der Straßenrand ist gesäumt mit Fressständen - Parrillas mit Fleischbergen, Obstsalat, Panchos (Hot-Dogs) und natürlich Getränke en masse. Wohin man sieht, Gemeinden, die mit Bannern und Megaphonen ihre Mitglieder anfeuern. Außerdem zahlreiche Massagestände, Plätze zum Ausruhen, zum Pulsmessen etc. Es war wirklich ein eindrucksvolles Spektakel.
Ich bin mit meiner Arbeitskollegin und ihrem Mann 5 Stunden zügig gelaufen, mit nur 15 Minuten Pause zwischendurch. In meinem rechten Oberschenkel fing es schon nach einer halben Stunde an zu ziehen. Der linke zog dann nach 2 Stunden nach, so dass ich dann nach den 5 Stunden entschloss, statt weiterer 5 Stunden in der schon sehr starken Sonne (siehe Sonnenbrand in meinem Gesicht ;)) mich zu den Helfern der Gemeinde meines Projektes zu gesellen und dann mit dem Bus weiter nach Lujan zu fahren.
Als wir um 8 Uhr abends in Lujan ankamen, war die Stadt schon überfüllt mit Pilgern. Sie strömten in Massen in die wunderschöne Kirche, um die "virgen de Lujans", also die Jungfrau von Lujan zu sehen. Es ist ein Versprechen, was sie ihr geben. Sie kommen, um um etwas zu bitten. Sie laufen den ganzen Tag, damit ihr Wunsch von der Jungfrau erhört wird. Ich habe viele Menschen gesehen, die weinten, als sie endlich an ihrem Ziel angelangt waren. Manche mit tränenüberströmten Gesichtern, andere mit Tränen in den Augen, wieder andere hingegen ganz nüchtern und scheinbar unberührt. Die Athmosphäre war festlich, ausgelassen. Die Menschen sangen laut beim Zurücklegen der letzten Meter. Sie nahmen sich in die Arme und tanzten. Es löste sich eine Anspannung, das war spürbar.
Letztendlich war ich an diesem Tag von 5 Uhr morgens bis 4 Uhr morgens unterwegs. 23 spannende Stunden! Auch wenn ich mich nicht mit dem Pilgern identifizieren kann, war es eine tolle Erfahrung. Richtig argentnisch, richtig mitreißend. Diesen Tag werde ich sicher nie vergessen. Und das ist ja mal etwas wert!

Freitag, 2. Oktober 2009

Pilgern?!

Ja. Morgen werde ich nun also pilgern. 54 Kilometer an einem Tag, kein Scherz.
Sollte dies mein letzter Eintrag sein, wisst ihr, woran es liegt..
Dass ich einmal pilgern würde, hätte ich gar nicht gedacht. Hatte damit bisher nicht viel am Hut. Als ich zusagte, wusste ich allerdings auch noch gar nicht, worum es sich handelt. Meine Arbeitskollegin sprach von einer großen Wanderung, bei der Tausende mitmachen, mit Stopps zum Essen und Trinken (da bin ich natürlich hellhörig geworden ;)). Ich sagte spontan zu. Schließlich bin ich hier, um viele neue Erfahrungen zu sammeln. Wenn Pilgern dazugehört, bitte.
Achja, dass es sich also um's Pilgern handelt, habe ich erst ca. 2 Wochen später erfahren. Tausende Argentinier pilgern einmal im Jahr nach Lujan, zur heiligen Jungfrau oder so was. Ok, so ganz ernst nehmen kann ich so was eigentlich nicht. Klar, ich respektiere und toleriere es, aber es entspricht nicht meiner Form des Glaubens. Aber ich finde es sehr interessant, es mitzuerleben.
Mal sehen, was ich morgen dazu sagen werde. Ich werde morgen um halb 5 aufstehen, mich ab 5 Uhr vor die Tür stellen und hoffen, dass ein colectivo (Bus) kommt. Kommt keiner, muss ich mir ein Remis (eine Art Taxi) nehmen. Um 6 treffen wir uns an der Kirche in Bosques, fahren mit einem Bus nach Capital und pilgern dann von dort aus nach Lujan. Den ganzen Tag, bis etwa 3/4 Uhr in der Nacht. Ich muss gestehen, ich habe ein bisschen Angst. So viel bin ich noch nicht mal ansatzweise gewandert. Außerdem war ich die letzte Woche nicht im Fitnessstudio, weil ich krank war und habe mich viel von Plätzchen und Brot mit Himbeermarmelade ernährt...
Wie es mir ergangen ist, erfahrt ihr dann am Sonntag. Werde die morgige Nacht im Haus meiner Chefin verbringen, direkt neben dem centro und am nächsten Tag mit den Mitarbeiterinnen das Bingo vorbereiten und durchführen. Dazu auch Sonntag mehr.
Also ihr Lieben, denkt an mich morgen, wenn ich schwitzend und fluchend die Kilometer zurücklege!