Sonntag, 27. September 2009

San Cayetano

Donnerstagmorgens arbeite ich zusätzlich zu meinem Projekt in Bosques im Barrio San Cayetano im centro comunatrio, um dort Apoyo Escolar (Nachhilfe) zu geben.
Die ersten beiden Wochen wurde ich von meiner Wohnung aus ins Barrio begleitet, ab dieser Woche werde ich alleine fahren. Von 9 bis 11 Uhr können die Kinder des Barrios dort mit den Mitarbeitern zusammen ihre Hausaufgaben machen. Ich habe bisher jedes Mal mit einem 7-jährigen Mädchen gearbeitet, die gerade lesen und schreiben lernt. Wir machen zusammen ihre Hausaufgaben für Spanisch/Castellano, was für mich und für sie jede Woche eine Herausforderung darstellt. Mich kostet es jedes Mal eine Unmenge an Geduld, da sie gar keine Buchstaben lesen kann, sich schlecht konzentriert, sich ablenken lässt und auch nicht so schnell im Denken ist. Sie kostet es auch sichtlich Mühe, sich länger am Stück zu konzentrieren, ruhig zu sitzen und Buchstaben im Alphabet zu suchen.
Dass ich als Ausländerin, die nicht perfekt spanisch spricht, ihr eben dies beibringen soll, ist eigentlich paradox. Ich versuche, ihr die Grundlagen zum Lesen und Schreiben beizubringen, was in der Schule anscheinend versäumt wird. Sie soll die Namen von Gegenständen neben die Bilder dieser schreiben, kann aber gar keine Buchstaben lesen, schafft es noch nicht, vom Hören auf Buchstaben zu schließen, geschweige denn, sie dementsprechend in die richtige Reihenfolge aufschreiben. Ich schreibe ihr dann zum Beispiel das Wort ganz groß und deutlich auf und lasse sie jeden Buchstaben in ihrem Alphabet suchen. Das Alphabet verbindet die Buchstaben mit Gegenstände, Tieren etc. Ich versuche zu erreichen, dass sie zu jedem Buchstaben die Verknüpfung zum Gegenstand im Kopf hat, um so Schritt für Schritt zu lernen, wie sich der Buchstabe im Wort anhört. Es ist wirklich nicht leicht und ich bin jedes Mal froh, wenn die zwei Stunden vorbei sind und ich wieder nach Hause fahren kann. Trotzdem ist die Arbeit irgendwie erfüllend, weil ich merke, dass ich dort echt gebraucht werde, weil nur in der ganz engen Betreuung der Kinder eine Chance zur Verbesserung liegt. Außerdem freue ich mich über jeden noch so kleinen Fortschritt, den Belen macht. Ich habe den Ehrgeiz entwickelt, ihr in diesem Jahr jetzt wirklich Lesen und Schreiben beizubringen, dafür müsste ich wahrscheinlich aber öfter als einmal die Woche Zeit mit ihr verbringen.
Das Barrio San Cayetano ist noch eine Spur ärmer als Bosques, wo ich nachmittags arbeite. Der Fluss, der hindurch fließt, ist von Müll zugeschüttet. Du siehst den Kindern die Armut an. Sie tragen zerrissene Kleidung, haben Karies, riechen schlecht und sind generell eher ungepflegt. Wenn mein Nachhilfemädchen lacht, und das tut sie oft, versetzt mir der Anblick ihrer schwarzumrandeten Milchzähne, jedes Mal einen Stich.
Manchmal weiß ich gar nicht, wo man mit der Hilfe ansetzen soll - es sind so viele Dinge, die verbessert werden müssten. Hygiene, medizinische Versorgung, Ernährung, die Wohnsituation, Bildung. Bildung - an welcher Stelle steht sie hinsichtlich dieser Verhältnisse? Ist sie, wie die westliche Welt wohl sagen würde, der Schlüssel zum Ausstieg aus dem Elend; oder ist sie neben den elementaren Dingen, die Menschenwürde gewährleisten sollen, nur zweitrangig?
Wie macht man den Kindern und Jugendlichen klar, dass es wichtig ist, Englisch zu lernen? Dass es wichtig ist, rechnen zu können?

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